Aus der Welt der Sagen
"Zoppathexen":
Unwetter in Prägraten ziehen oft vom Zoppat,
einer Schafalm, herab - und warum? Natürlich weil sich dort
Hexen besonders gerne ein Stelldichein geben! Wenn sie nur miteinander
sprächen, ihre Erfahrungen austauschten oder ein bißchen
auf ihren Besen auf- und niederritten! Aber nein, sie schieben Wolken
zusam-men und bereiten übereifrig Hagel zu, wie brave Hausfrauen
das Mittagessen.
Und wenn man im Dorfe dann das schwarze Gewölk aufsteigen sieht,
beeilt sich der Mesner zur Andreaskirche zu kommen, um die Wetter-glocken
zu läuten. Wenn dann der Klang der geweihten Glocken den Hexen
zu Ohren kommt, hört man sie schreien: "Hintar, hintar,
die Andreashündlan bellen!" Keuchend ziehen sie die Wetterwolken
mit aller Gewalt zurück, daß ihnen oft das Blut unter
den Fingernägeln hervorquillt.
"s' Dabageiggle":
Auf der Dabaalm, einer Schafalm in Prägraten,
arbeitete einst ein Hirte, der gottsjämmerlich zu fluchen pflegte
- bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit, wenn man von
einer passenden Gelegenheit überhaupt sprechen darf. So kam
es, wie es kommen mußte: Das Geiggle hat den Hirten zerrissen
und die Schafherde in alle Windrichtungen vertrieben. Wie erschraken
die Leute, als sie keinen Hirten mehr fanden und keine Schafe, nur
Blut-spuren! Da hörten sie plötzlich aus weiter Ferne
die unheimliche Stimme des Geiggle:
"Die Haut auf'n Dachlan, Der Leib auf'n
Bachlan, Der Kopf in der Kling', Wenn ös'n suacht, weacht ös'n
woll findn".
Und tatsächlich fand man den Ärmsten "aufgeteilt"
an den bezeichneten Stellen.
Im Eise begraben:
Die Prettauer wollten einmal "mit'm Kreuz"
nach Prägraten gehen. Ihre Prozession führte über
das Kees des "hinteren Umbaltörlan". Das Kees abwärts
schliffen die Leute lustig über das Eis.
Da geschah es: Der Erste, der das Kreuz trug, brach plötzlich
ein; die Nachfolgenden konnten sich auch nicht mehr halten, so stürzte
die ganze Kreuzschar in die Gletscherspalte und ward lebendig im
ewigen Eise begraben.
Verstiegen:
Einst ging ein Jäger in Prägraten auf
die Gemsen. Ein besonderes Prachtexemplar kletterte Stunden lang
vor ihm her, der Jäger nach, aber er kam nie zum Schuß.
Da schien das Tier in einer besonders schaurigen Felswand einen
ganz neuen Weg gefunden zu haben. Sein Verfolger stieg ihm wagemutig
nach. Plötzlich fuhr ihm eisiger Schrecken durch alle Glieder:
die Gemse war spurlos verschwungen und er, er kam nicht mehr weiter
und auch nicht mehr zurück! Auf seine Schreie liefen Leute
her-bei; sie konnten auch nichts tun, als entsetzt hinaufzublicken
in die fast überhängende Wand. Der Jäger nahm einen
Zettel und schrieb etwas mit zitternder Hand darauf und warf ihn
hinunter. Auf dem Zettel stand, daß er nirgends mehr auskomme,
und er bitte die Leute, den Priester mit dem Höchsten Gut herbeizuholen.
Der Geistliche kam, hob die Monstranz hoch empor, um den Unglücklichen
zu segnen. Siehe da, die heilige Hostie flog die steile Wand empor
zum Jäger, der voll Inbrunst die letzte Wegzehrung empfing.
Dann sprang er von der Felswand in den Abgrund hinunter, wo er zerschmettert
liegen blieb. Seine Büchse aber soll sich noch oben befinden.
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