8 Jahhrhunderte im Zeitraffer
Der Name Prägraten stammt aus dem Slawischen
und heißt soviel wie "Vor-der-Burg". Tatsächlich
können auf dem sogenannten Bichl etwas taleinwärts noch
Spuren eines ehemaligen Ringwalles bemerkt werden. Die Ortschaft
Hinterbichl nimmt ja auch mit ihrem Namen auf diesen Bichl Bezug.
Als "Pregrad" taucht die Siedlung erstmals 1162 aus dem
Dunkel der Geschichte: Graf Arnold von Greifenstein und seine Frau
übertragen dem Augustiner-Chorherrenstift Neustift Güter
in Prägraten. Das Kloster knapp nördlich der alten Bischofsstadt
Brixen war 20 Jahre vorher, also 1142 gestiftet und 1143 von Klosterneuburg
aus besiedelt worden. (Der Hofname Klosterer und der einst sehr
gebräuchliche Name Klosterdorf erinnerten durch Jahrhunderte
an die Besitzungen von Neustift.) Die Nennung von 1162 fällt
im Vergleich zu anderen Ortschaften nicht nur in eine relativ frühe
Zeit, sie beweist auch, daß die Siedlung damals ja schon bestanden
haben muß, mit anderen Worten, die Anfänge der Besiedlung
von Prägraten reichen noch weiter zurück. Gleiches gilt
übrigens auch für Virgen, ebenfalls um diese Zeit genannt
und zwar als Pfarrsitz, was ebenfalls auf bereits älteren Siedlungsbestand
hinweist.
Im Jahre 1252 erscheint Graf Albert von Tirol als Inhaber des Schlosses
Virgen ("castrum Virge"): Er übergab es in diesem
Jahr zusammen mit dem Schloß Oberdrauburg dem Erzbischof von
Salzburg als Preis für seine Freigabe aus der Kriegsgefangenschaft.
Man wird mit der Vermutung wohl richtiggehen, daß damals mit
Schloß Virgen auch die Herrschaft über das umliegende
Gebiet im Ausmaß des später klarer umrissenen Gerichtes
und der Pfarre Virgen verbunden war. Nach dem Tode des Grafen Albert
von Tirol ist jedoch das Gericht Virgen und mit ihm auch Prägraten
an die Grafen von Görz übergegangen, anläßlich
der Teilung der Grafschaften Tirol und Görz im Jahre 1271 setzt
der Inhaber der Görzer Grafschaft, Albert von Görz, Schloß
Virgen mit allem Zubehör als Pfand für die Einhaltung
des Vertrages ein und weist 1275 seiner Gemahlin 2.000 Mark auf
dasselbe für ihr Heiratsgut an.
Der Erzbischof von Salzburg bestätigte 1292 und 1308 die Rechte
der Görzer Grafen auf "die Burg Virgen und die Gegend",
was wohl schon als Gerichtsbezirk zu identifizieren sein wird. Die
Görzer waren also die Landesherren; eine gewisse Abhängigkeit
von der Lehenshoheit des Erzbischofs von Salzburg bezüglich
dem Gericht Virgen bestritten die Görzer zwar nicht, sie war
allerdings wirklich nur Formsache, wenn auch auch bis ins 18. Jahrhundert
in verschiedenen Urkunden immer noch davon die Rede ist.
Nach dem Aussterben der Görzer kamen ihre Länder an Maximilian;
dieser versetzte sogleich im Jahre 1501 zusammen mit der Herrschaft
Lienz auch die "Ämter Kals, Virgen und in der Tefereggen
und das Schloß Rabenstein mit dem Gericht daselbst" dem
Freiherrn Michael von Wolkenstein. In dieser Pfandschaft folgte
1653 das fürstliche Damenstift in Hall. Diese Pfandherrschaften,
also die Wolkensteiner, dann das Damenstift, waren für das
Gericht Virgen und damit auch für Prägraten sozusagen
die oberste Regierungsbehörde. Diese bestellte auf eigene Rechnung
einen Pfleger, der dann ab 1609 zugleich auch Richter des Tales
Virgen war. Die verschiedenen Bezirke unterstanden der Herrschaftsverwaltung
von Lienz als Verwaltungszentrale der Wolkensteinischen, dann Damenstift'schen
Pfandherrschaft. Was die Juristiktion betrifft, war das Gericht
Virgen in Sachen der "Malefizgerichtsbarkeit" (Blutgerichtsbarkeit,
Todesstrafen) ebenfalls nach Lienz in das dortige Landgericht "schubpflichtig",
d.h. der Täter mußte dorthin zur Gerichtsverhandlung
und zur Urteilsvollstreckung überstellt werden. Nach der Aufhebung
des Damenstiftes im Jahre 1783 übernahm der Staat die Verwaltung
des Gerichtes Virgen. Die bayerische Regierung gliederte es 1806
dem Landgericht Virgen ein, beließ aber doch einen "exponierten
Aktuar" in Virgen selbst. Nach dem Intermezzo als Teil der
französichen Provinz Illyrien ab 1810 kam das Gericht Virgen
1817 an das k.k. Landgericht und seit 1850 Bezirksgericht Windisch-Matrei.
Von der Landeshoheit zu unterscheiden ist die Grundherrschaft. Bekanntlich
unterstanden bis zur Ablösung in der Mitte des vorigen Jahrhunderts
zahlreiche Besitzungen einem Art Obereigentümer, einem Grundherrn,
dem ursprünglich Grund und Boden gehörte und der denselben
zur Bearbeitung verpachtete ("belehnte"). Obwohl im görzischen
Bereich die Belehnung zum größten Teil auf Freistiftsrecht
basierte, was theoretisch eine starke Abhängigkeit von der
Grundherrschaft und eine leichte Kündigungsmöglichkeit
des "Pächters" durch den Grundherrn bedeutete, sah
die Wirklichkeit doch anders aus: Die Bauern fühlten sich ganz
als Besitzer ihrer Güter, sie zahlten und zinsten eben einen
Teil ihrer Erträgnisse, wie ja heute auch das Finanzamt sein
Schärfchen bekommen will.
Die durchschnittlich sehr lange Besitzdauer der Familien auf ihren
Höfen beweist deutlich genug den rein theoretischen Sinn des
Freistiftrechtes in Prägraten.
Hier tritt nun auch in Erscheinung, daß der Inhaber der Herrschaftsrechte,
modern ausgedrückt die Regierung, auch der größte
Grundbesitzer war, also zugleich auch Grundherrschaft war.
Aus dem Jahre 1299 ist von den Görzer Grafen ein großes
Urbar erhalten, ein Güterverzeichnis mit deren genauen Abgaben
an die görzischen Grundherren, den Grundzinsen. Hier wird übrigens
zum erstenmal auch Bobojach genannt und zwar als "Pobeyach"
geschrieben. Es werden dort Weizen, Roggen, Hafer, Hühner,
Eier, aber auch Schweine, Heu und Flachs gezinst. In "Predegrad
of dem Staeine" wird ein Schwaighof als grundzinspflichtig
ausgewiesen. Dort zinste ein gewisser Ditmar 300 Käse, die
typische Abgabe der hauptsächlich auf Vieh- und Milchwirtschaft
ausgerichteten Höhensiedlungen der Schwaighöfe,weiters
Lodentuch, Ziegen und Schafe, Weizen, Roggen und Hafer, Flachs,
Hühner und Eier. Statt dem jährlich zu zinsenden Schwein
konnte auch ein bestimmter Geldbetrag gezahlt werden. Die Umwandlung
der Naturalzinse in Geldzinse bahnt sich also bereits an, sie hat
allerdings in diesen Gebieten eine nicht so starke Entwicklung wie
andernorts durchgemacht.
Im diesem Urbar von 1299 werden auch die zinspflichtigen Bauern
von Wallhorn, "Walharn" geschrieben, angeführt. Die
Naturalzinse sind Weizen, Roggen, Hafer, Bohnen, Heu, flachs, Hühner,
Eier und Schweine. "Uf dem Puehel" (Bichl) zinst ein Bertold
Weizen, Roggen, Bohnen, Gerste, Hafer, ein Schwein, Schafe, Heu,
Hühner, Eier und Flachs. Weiters finden sich hier bereits wohlbekannte
Hofnamen von Hinterbichl: "In dem Grade" (Schwaighof Grad),
"an der Ysolitz" (an der Isel, Islitzergut), "an
der Groevel" (Schwaighof, Grefl, Familienname Gröfler),
"an der Sredin" (Ströden) und "an dem Velde"
(Feldner). So sind diese Bauerngüter nun 7 Jahrhunderte bezeugt;
es sind die uralten Höfe, aus denen die Familiennamen hervorgegangen
sind. Die obengenannten Hinterbichler Güter,durchwegs Schwaighöfe,
zinsen 1299 dem Görzer Grundherrn Käse, Schafe, Ziegen
und Lodentuch.
Wie aus der Beschreibung von 1545 hervorgeht, war für den überwiegenden
Teil der Prägratner Güter der Herrschaftsinhaber auch
Grundherr: also die Görzer Grafen, dann die Wolkensteiner und
später das Damenstift als pfandsweiser Inhaber des Gebietes
und Rechtsnachfolger der Görzer; es heißt dann 1545 immer
"zinst an die Herrschaft Lienz".
Vom Zins oder Grundzins zu unterscheiden ist der Zehent, ursprünglich
eine rein kirchliche Einnahme, die jedoch schon im Hochmittelalter
vielfach von weltlichen Stellen erworben worden war.
Entsprechend der Größe der landwirtschaftlichen Besitzungen
wurden die Güter in Huben, Halbhuben, Drittel-, Viertel- und
Achtelhuben eingeteilt, um eine gerechte Abgabengrundlage zu haben.
Diese uralte "Einhöfung" entsprach dann im Laufe
des vorigen Jahrhunderts infolge der Besitzveränderungen immer
weniger den tatsächlichen Gegebenheiten und kam außer
Gebrauch.
Um 1730 bestand diesbezüglich folgende Einteilung:
St. Andrä: |
Riedler- oder Troyergut |
1 |
Hube |
|
Freyergut |
1 |
Hube |
|
Glanzergut |
1/2 |
Hube |
|
Klosterergut |
1 |
Hube |
|
Hansergut |
1/2 |
Hube |
|
Wurzergut |
1 |
Hube |
|
Prandstätter oder Weißkopf |
1 |
Hube |
|
Pachergut |
1 |
Hube |
|
Lexengut |
1/2 |
Hube |
|
Am Pichl |
3 |
Huben |
|
Rainergut |
1 |
Hube |
|
Gütl am Lassach |
1/4 |
Hube |
|
Schmidergut |
1/2 |
Hube |
|
|
Zusammen |
12 1/4 |
Huben |
Bobojach: |
Heinrichergut |
1 |
Hube |
|
Egger- und Fritzergut |
1 |
Hube |
|
Ortnergut |
3/4 |
Hube |
|
Erlachergut |
1 |
Hube |
|
Resingergut |
1/4 |
Hube |
|
Steinergut |
1 |
Hube |
|
|
Zusammen |
5 |
Huben |
Wallhorn: |
Eggergut |
1 |
Hube |
|
Grißachergut |
1 |
Hube |
|
Bstielergut |
3/4 |
Hube |
|
Angstingergut |
1 |
Hube |
|
Stabendergut |
1/2 |
Hube |
|
Das zerteilte Stabendergut |
1/2 |
Hube |
|
Pergergut |
1 |
Hube |
|
Wölflergut |
1/2 |
Hube |
|
Gassergut |
1 |
Hube |
|
Aßmergut |
1/2 |
Hube |
|
Winklergut |
1 1/2 |
Huben |
|
|
Zusammen |
9 1/4 |
Huben |
Hinterbichl: |
Ißlitz- und Gröflerschwaig |
2 |
Huben |
|
Kröderschwaig |
3 |
Huben |
|
Mayrhof und Graderschwaig |
2 |
Huben |
|
Feldnerschwaig |
1 |
Hube |
|
Pötzer und Forstlechengut |
3/4 |
Hube |
|
Hinterglanzergut |
1/4 |
Hube |
|
|
Zusammen |
9 |
Huben |
1773 zählte man in diesen Ortschaften zusammen 80 Häuser.
Mit der Ausweitung der Besiedlung entwickelte sich die Gliederung
in sogenannte Rotten, wie das die Steuerbeschreibung des Pustertales
von 1545 bereits ersichtlich macht. Solche Rotten waren ebensowohl
Steuergemeinden wie bäuerliche Wirtschaftsgemeinden mit gemeinsamem
Wald- und Weidebesitz, mit gemeinsamer Ableistung von Wegbau, Bewässerung
usw. Den Rotten standen sogenannte Rottmänner vor, die ihre
Tätigkeit ehrenamtlich besorgten. Wie schon aus der Einteilung
im Verzeichnis von 1545 hervorgeht, gab es 5 Rotten: 2 Rotten St.
Andrä, Rotte Hinterbichl, Rotte Bobojach und Rotte Wallhorn.
Diese Rotten wurden 1817 zur politischen Gemeinde Prägraten
zusammengeschlossen. Die einzelnen Rotten blieben weiterhin im Gemeindeausschuß
vertreten. Heute bilden sie Ortschaften innerhalb der Gemeinde und
Katastralgemeinde Prägraten. (1815 bis 1865 war Prägraten
mit Virgen zu einer Gemeinde vereinigt.)
Aus der Katastralmappe von 1859, Wohn- und Wirtschaftsgebäude:
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